Bachelor Thesis von Karolin Kintzel
Ausgehend von einer Vielzahl geschlechtlicher Identitäten wird in dieser Arbeit mit dem Gendersternchen gearbeitet. Zur Vereinfachung des Textflusses werden „FASD-Kinder und Jugendliche“ durch das Wort „FASDler“ zusammengefasst. Alkohol stellt derzeitig in einigen Ländern ein Genussmittel dar, welches in der Gesellschaft als solches akzeptiert ist und nicht im Kontext des Drogenkonsums betrachtet wird. Zu bestimmten Anlässen oder Interaktionsformen wird ein übermäßiger Alkoholkonsum bis zum Rauschzustand sogar gefordert und erst dann gesellschaftlich nicht toleriert, wenn unerwünschte Verhaltensformen oder Folgen durch den Konsum eintreten (vgl. Groenemeyer/Laging 2012, S. 219). Während einer Schwangerschaft soll auf Alkohol verzichtet werden und viele Menschen sind sich dessen bewusst. Jedoch fehlt es an Bewusstsein darüber, welche erheblichen Schädigungen bereits geringe Mengen Alkohol auf die Entwicklung des ungeborenen Kindes haben (vgl. Thäle/Schlitt 2011, S. 1185). Die fetalen Alkoholspektrum-Störungen (FASD) stellen eine nach außen hin nicht direkt erkennbare Behinderung dar. Sie werden bisher oftmals noch auf das fetale Alkoholsyndrom (FAS) – die bekannteste Ausprägungsform – reduziert, da das Vollbild körperliche Ausprägungen aufweist, aber nur die Spitze des Eisberges darstellt (vgl. Becker 2013, S. 123). Diese Arbeit fokussiert sich auf die Barrieren und Herausforderungen, vor denen Menschen mit FAS(D) stehen und betrachtet die Behinderung im Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe.
Mit der steigenden Anerkennung dieser Behinderung sowie den wachsenden Zahlen an FASDlern nimmt dieses Thema eine immer größer werdende Bedeutung in dem Handlungsfeld ein. Auf der Grundlage des Doppelmandats, dass sich die Soziale Arbeit zwischen den Ansprüchen von Staat und Klient*in, also Kontrolle und Hilfe bewegt, ergänzt Staub-Bernasconi das Verständnis von Sozialer Arbeit als Profession zum Tripelmandat. Dabei gibt der Staat die gesetzlichen Rahmen und damit die Leistungen vor (vgl. Aboelwafa/Schulte-Holtey 2020, S. 314f.). Diese Arbeit befasst sich überwiegend mit der institutionellen und gesetzlichen Ebene
und beantwortet die Leitfrage, inwieweit die Kinder- und Jugendhilfe auf die fetalen Alkoholspektrum-Störungen vorbereitet ist. Dazu wird ein weiterer Fokus auf die Akteursebene gesetzt, indem auf den besonderen Hilfebedarf der jungen FASDler eingegangen wird.
Deutlich geht hervor, dass die Sichtweise der Adressat*innen kaum Gewichtung in der Forschung findet und auch auf der Professionsebene eine große Wissenslücke besteht. Ein besonderer Blick richtet sich dabei auf die Hilfsmöglichkeiten, die in Anspruch genommen werden können. Ein weiterer darauf, vor welchen Herausforderungen die Familie und vor allem die jungen FASDler in diesem Spannungsfeld stehen. Da die Schädigungen schon vor der Geburt des Kindes entstehen und lebenslange Folgeschäden verursachen, ist es grundlegend wichtig die fetalen Alkoholspektrum-Störungen in ihrem vollen Ausmaß zu erfassen und zu verstehen. Diese Arbeit beginnt daher mit der Hinführung zu dem Thema FASD.
Nach einer kurzen Einleitung werden zunächst die Ausprägungsformen von FASD näher erläutert, um im Anschluss auf die Diagnostik einzugehen. Die Historie und Entwicklung der S3-Leitlinie sowie der Diagnoseverlauf werden
ausführlich beschrieben, um zunächst das wichtigste Problem zu verdeutlichen, und zwar, wie komplex und schwierig die Feststellung von FASD ist. Die Diagnose gibt nicht nur Auskunft darüber, in welchem Maße die Personen geschädigt sind, sie dient als Voraussetzung für die Beanspruchung von Unterstützungsleistungen. Für ein umfassendes Verständnis von FASD werden im ersten Kapitel zusätzlich die sonstigen Auswirkungen erklärt und Ergebnisse unterschiedlicher Studien erläutert, zum einen für das Thema des moderaten Alkoholkonsum und zum anderen über die Häufigkeit von FASD in Deutschland. Der Begriff des Alkoholkonsums muss hier allerdings differenziert verstanden werden und beschränkt sich in dieser Arbeit auf den trinkbaren Alkohol und nicht bspw. auf den Alkoholgebrauch inLebensmitteln. Nachdem im 1. Kapitel ein Basiswissen über FASD vermittelt wird, fasst das 2. Kapitel das Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe zusammen. Dabei werden aktuelle Diskurse verkürzt dargestellt, die rechtliche Grundlage wird erläutert, sodass umfangreich auf die fünf Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe eingegangen werden kann.
Aufbauend auf dem Wissen über FASD und das Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe befasst sich das 3. Kapitel kritisch mit FASD im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe. Schon bei der Zuständigkeitsklärung geraten junge Menschen mit FASD oft an ihre Grenzen und bei der Klärung der rechtlichen Ansprüche wird noch einmal deutlich, wie wichtig die Diagnose ist, um unterstützende Leistungen zu erhalten. Zugleich bestehen trotz der Diagnose erhebliche Schwierigkeiten bei der Feststellung, ob die Kinder- und Jugendhilfe oder die Sozialhilfe vorrangig zuständig. Des Weiteren werden allgemeine Leistungen der Eingliederungshilfe und Leistungen im Kontext der Schule und der Kindertageseinrichtungen aufgeführt und kritisch betrachtet. Im Zuge dessen wird nicht nur darauf geachtet, was besser laufen könnte, sondern welche Veränderungen notwendig sind, damit die Leistungen und Einrichtungen entsprechend dem individuellen Hilfebedarf der jungen Menschen mit FASD gewährleistet und gefördert werden können.
Abschließend werden im 3. Kapitel Schlüsselfaktoren herausgearbeitet, die in der Zusammenarbeit als Voraussetzungen gelten und in jedem Kontext mit FASDlern anwendbar sind. So gehört das Umdenken von einer modernen zu einer FASD-gerechten Pädagogik in jeden Umgang. Auch im professionellen Bereich müssen die pädagogischen Fachkräfte bestimmte Voraussetzungen mitbringen, um FASDler entsprechend fördern zu können. Neben
dem Wissen und dem Verständnis über FASD, dem Aufbauen einer sicheren Bindung, bis hin zur Ressourcenförderung werden sowohl die Stärken als auch Defizite herausgearbeitet.
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