„Aufbruch in eine neue Realität“ oder zocken bis der Arzt kommt
„Aufbruch in eine neue Realität“, so oder so ähnlich versprechen Werbestrategen im Auftrag der Hersteller für digitale PC.- oder Konsolenspiele den Einstieg in eine „neue Welt“. Eine bunte, grafisch oftmals überaus reizvoll gestaltete Welt voller zu bestehender Aufgaben und Abenteuer. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Kinder und Jugendliche, die ihre freie Zeit fast ausschließlich vor dem Computer und/oder der Spielekonsole verbringen. Im Extremfall werden alle anderen Beschäftigungen – Essen, Schlafen, Schule, Freunde – vernachlässigt.
Aus einem Artikel der Die Zeit vom 16.03.2009 mit der Überschrift „Die Sucht der Stubenhocker“ kann der Leser entnehmen, dass von 15168 befragten Neuntklässlern rund 3% abhängig von Computerspielen sind.
Im Einzelnen gaben die 15-jährigen Jungen an im Durchschnitt knapp 2,5 Stunden täglich am Computer, mit der Spielkonsole oder einem mobilen Gerät zu spielen. 78 Prozent haben einen eigen Computer im Zimmer, Mädchen bringen es auf fast eine Stunde am Tag – von ihnen besitzen 61,2 Prozent einen Rechner.
Neben dem hohen Suchtfaktor gibt es noch einen weiteren Aspekt, der meines Erachtens zu wenig Berücksichtigung findet:
Die Bilder von Gewalt, Zerstörung und Vernichtung, die in vielen, gerade von männlichen Spielern bevorzugten Spielen zum inhaltlichen Konzept gehören, können vom kindlichen, bzw. jugendlichen Gehirn noch nicht „gut“ verarbeitet werden. Nicht „gut “ heißt, dass diese Bilder in einem Gehirnareal abgespeichert werden, der sehr stark mit Emotionen in Verbindung steht. Der Gehirnbereich, der diese Bilder neutraler bewertet, ist noch nicht hinreichend entwickelt, um diese Bilderflut zu neutralisieren. Auf bio-chemischer Basis bedeutet dies, dass das unreife Gehirn mit Botensubstanzen überflutet wird, die einer normalen Reifung des Hirns entgegenwirken; das Gehirn befindet sich im permanenten Alarmzustand.
Viele Eltern kapitulieren vor dem dauernden Drängen ihrer Schutzbefohlenen und lassen ihre Kinder Spiele mit Altersbeschränkung spielen. Oftmals sind Eltern aber auch zu wenig informiert, oder einfach nur hilflos, weil ihre Kinder ihnen in Sachen Informationstechnologie haushoch überlegen sind.
Folgend finden sie eine Liste mit Fragen, deren Beantwortung sie für das Phänomen „Computer und Sucht“ sensibler machen kann. Die Liste erhebt übrigens keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Checkliste zur Computersucht:
- Sind Computersitzungen von acht Stunden und mehr keine Seltenheit?
- Werden Nahrungsaufnahme und Körperpflege vernachlässigt?
- Gibt es kein anderes „Thema“ mehr?
- Gerät der Wach-Schlafrhythmus durcheinander?
- Werden soziale Kontakte (Freundschaften, Sport, usw.) zur Nebensache?
Beobachten sie bei ihren Kindern ähnliche Verhaltensweisen oder ist der „vernünftige“ Umgang mit Computern in ihrer Familie schon länger ein Konfliktthema, sollten sie sich nicht scheuen professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine erste Beratung bieten sicherlich die örtlichen Kinder- und Jugendberatungsstellen.
A propos, wir lehnen die Informationstechnologien nicht ab; wir werben nur für einen angemessenen und vernünftigen Umgang mit denselben.
Aus diesem Grund finden sie auf dieser Seite auch ein kleines Computerspiel, dass wir „ganz nett“ finden; probieren sie es einmal aus – ältere Jugendliche und Hardcore-Gamer werden natürlich unterfordert sein – trotzdem „Viel Spaß!“